Arbeiten ukrainischer Kunstschaffender werden im Rahmen der Art Basel an verschiedenen Orten in der Stadt ausgestellt

Insgesamt elf Bildpaare aus Boris Mikhailovs neuester Fotoserie «Temptation of Death» werden an den Fassaden und Eingängen von Basler Kulturinstitutionen sowie im Rathaus der Stadt zu sehen sein.

Es ist mal wieder soweit: Die Art Basel findet vom 16. bis 19. Juni 2022 statt. Copyright: Mandoga Media

Das öffentliche Kunstprojekt wird durch ein Filmprogramm ergänzt, das von Ksenia Malykh vom PinchukArtCentre in Kiew, kuratiert wurde. Das Programm, das täglich im Theater Basel gezeigt wird, umfasst Arbeiten von Oleksandr Roitburd, einem Mitglied der ukrainischen New-Wave-Bewegung, sowie Filme einer jüngeren Generation von Künstlerinnen und Künstlern, die ein differenziertes Porträt der heutigen Ukraine zeichnen.

Boris Mikhailov wurde 1938 geboren und wuchs in der sowjetischen Ukraine auf. In seinen frühen Arbeiten bewegte er sich am Rande der politischen und sozialen Normen und lotete die Grenzen dessen aus, was in der Sowjetzeit als verbotene Bilder bezeichnet werden konnte. Er erlebte den Zusammenbruch der Sowjetunion und die Wiedergeburt einer unabhängigen Ukraine. Sein Leben lang hat sich Mikhailov damit beschäftigt, die Folgen dieser historischen Entwicklung zu betrachten und nachzuvollziehen. Im Kern ist Mikhailov ein kritischer Geschichtenerzähler, der ein komplexeres Verständnis von Realität aufzeigt.

«Temptation of Death», 2017–2019, besteht aus mehr als 150 Bildpaaren, in denen der Künstler seine unverwechselbare autobiografische Stimme einer düsteren Vorahnung gegenüberstellt. Beim Durchforsten seines Bildarchivs und dem Nachspüren von Überbleibseln der Sowjetunion schafft er eine Reihe visueller Gedichte, die seinem eigenen Leben – und dem Zerfall der Sowjetunion – ins Auge blicken. Mikhailov, ein Flaneur im Sinne Walter Benjamins, hat mit seiner umfangreichen Fotoserie Erinnerungen an eine vergangene Zeit eingefangen. Dies ist heute umso relevanter, da Putins Krieg gegen die Ukraine auch das sowjetische Erbe als Teil der physischen Realität und der psychologischen Identität der Ukraine zerstört.

Die Fondation Beyeler in Riehen bei Basel. Copyright: Mandoga Media

Kuratiert von Björn Geldhof, Artistic Director des PinchukArtCentre, wird «Temptation of Death» so zu einem Abgesang auf eine vergangene Zeit. In gewisser Weise gilt dies auch für die Videoarbeit «Psychedelic Invasion of the Battleship Potyomkin into Sergey Eisenstein’s Tautological Hallucinations» von 1998 von Oleksandr Roitburd, welche die Vergangenheit und die Gegenwart, das Klassische und das Zeitgenössische miteinander verbindet und im Theater Basel zu sehen sein wird. Was ein Endpunkt ist, ist jedoch auch ein Neuanfang, verkörpert durch vier Videoarbeiten der jungen ukrainischen Künstlerinnen und Künstler Dana Kavelina, Yarema Malashchuk und Roman Khimei, Daniil Revkovskiy und Andriy Rachinskiy sowie dem Kollektiv Open Group. In Fragmenten erstellen die Künstlerinnen und Künstler ein kollektives Porträt der heutigen Ukraine, die sie durch ihre eigenen Körper, ihre Traumata und ihre Vorstellungskraft untersuchen.

Beat Jans, Regierungspräsident des Kantons Basel-Stadt, sagt: «Der Regierungsrat von Basel-Stadt begrüsst die Initiative, ukrainischen Kunstschaffenden während der Art Basel eine gut sichtbare Plattform zu geben. Sie setzt ein wichtiges Zeichen, damit wir den Krieg und das damit verbundene Leid der ukrainischen Gesellschaft nicht vergessen.»

Björn Geldhof, Artistic Director des PinchukArtCentre sagt: «Die Ukrainerinnen und Ukrainer haben sich systematisch für die Freiheit und für Werte entschieden, die uns allen am Herzen liegen. Die Kunst und die ukrainischen Kunstschaffenden haben bei dieser Entscheidung eine Vorreiterrolle gespielt. Vom frühen kritischen und subversiven Fotografen Boris Mikhailov bis hin zur jüngsten Generation von Filmemachern. Ihre Arbeit ist Teil der heutigen Ukraine, einer Ukraine, die um ihr Überleben und um das Überleben unserer gemeinsamen Werte kämpft.»

Das Projekt ist eine Kollaboration zwischen PinchukArtCentre; Kanton Basel-Stadt; Art Basel; Fondation Beyeler; Theater Basel; Kunstmuseum Basel; Kunsthalle Basel; Kaserne Basel; Kunsthaus Baselland; Haus der Elektronischen Künste; Liste und I Never Read, Art Book Fair Basel.

«The battleship and the catamaran» – Filmprogramm

Das von Ksenia Malykh, Head of Research Platform PinchukArtCentre, Kiew kuratierte Programm wird in einer Endlosschleife im Foyer des Theater Basel von Dienstag, 14. Juni bis Sonntag, 19. Juni, täglich von 11 bis 18 Uhr gezeigt. Der Eintritt ist kostenlos. Es sind keine Tickets erforderlich.

Oleksandr Roitburd, «Psychedelic Invasion of the Battleship Potyomkin into Sergey Eisenstein’s Tautological Hallucinations», 1998, 9’17”

Yarema Malashchuk und Roman Khimei, «Der Wanderer», 2022, 8’52”

Daniil Revkovskiy und Andriy Rachinskiy, «Clanking, dispute, hammering and gurgling», 2020, 10’

Open Group, «1000-km View. Part 1», 2015, 23’36”

Dana Kavelina, «We fought for six years, then it was covered with snow, and in the spring they erected a monument to the hero», 2020, 3’16”

Liste der Künstlerinnen und Künstler

Boris Mikhailov

1938 in Charkiw in der Ukraine geboren, ist Boris Mikhailov einer der wichtigsten Chronisten des Alltagslebens in der (post-)sowjetischen Gesellschaft. Mikhailov studierte Elektrotechnik und arbeitete zunächst als Ingenieur. In den späten 1960er-Jahren brachte er sich selbst das Fotografieren bei. Seine frühen Serien aus den 1960er- und 1970er-Jahren zeigen meist persönliche Bilder von Freunden, Bekannten und Partnerinnen. Die Welt, die er einfängt – Szenen aus dem Alltag, Armut, Sexualität, Verzweiflung, Resignation und der Niedergang eines vergessenen Osteuropas – ist durchweg direkt und roh. Mikhailov konzentriert sich auf die Aussenseiter der Gesellschaft. Seine Werke wurden weltweit in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt, unter anderem im Sprengel Museum, Hannover (2013), in der Berlinischen Galerie, Berlin (2012), im Museum of Modern Art, New York (2011), in der Tate Modern, London (2010), in der Kunsthalle Wien (2010) und im ukrainischen Pavillon an der Biennale di Venezia (2007). Boris Mikhailov lebt und arbeitet in Charkiw und Berlin.

Oleksandr Roitburd

Oleksandr Roitburd (1961–2021) war Mitglied der ukrainischen New-Wave-Bewegung und Mitbegründer der Theorie der ukrainischen Transavantgard. Er arbeitete als Maler und Installationskünstler und realisierte unter anderem Video- und Fotoprojekte. Er gehört zur ersten Welle post-sowjetischer und post-traditioneller ukrainischer Künstler.

Yarema Malashchuk und Roman Khimei

Yarema Malashchuk und Roman Khimei leben in Kolomyya in der Ukraine, wo sie als Künstler, Regisseure und Filmemacher an der Grenze zwischen bildender Kunst und Kinematographie arbeiten. In ihrer Arbeit erforschen sie das Bild der Masse als eigenständige Figur in Geschichte und Kultur. Im Jahr 2018 gewannen sie einen Sonderpreis sowie 2020 den Hauptpreis des PinchukArtCentre Prize.

Daniil Revkovskiy und Andriy Rachinskiy

Daniil Revkovskiy und Andriy Rachinskiy sind Künstler aus Charkiw, die 1993 beziehungsweise 1990 geboren wurden. Beide Künstler arbeiten mit den Medien Video, Fotografie und Installation. Sie sind Absolventen der Staatlichen Akademie für Design und Kunst in Charkiw. Im Jahr 2010 gründeten sie eine öffentliche VKontakte-Community mit dem Namen «Memory», die sie nutzten, um gemeinsam das Thema des kollektiven Gedächtnisses im post-sowjetischen Raum zu untersuchen. Ihre gemeinsame Arbeit begann im Jahr 2012. Sie nahmen an zahlreichen Projekten und Ausstellungen teil, darunter «The war of inscriptions», OFF/FORMAT, Brno, Tschechische Republik, 2019; «Soot», EFTI, Madrid, Spanien; 2019, die Zweite Nationale Biennale für junge Kunst, Charkiw, Ukraine, 2019; sowie PinchukArtCentre Prize 2018. Revkovskiy und Rachinskiy sind Preisträger des PinchukArtCentre Prize 2020 Public Choice Prize.

Open Group

Open Group wurde im August 2012 von sechs Künstlern in Lemberg (Lwiw) gegründet: Eugene Samborsky, Yuriy Biley, Anton Varga, Oleg Perkovsky, Pavlo Kovach, Stanislav Turina. Die ständigen Mitglieder der Gruppe seit 2019 sind: Yuriy Biley (Breslau, Polen), Pavlo Kovach (Lemberg, Ukraine) und Anton Varga (New York). Die Arbeit der Gruppe basiert auf der Erforschung der Interaktion und Kommunikation zwischen Menschen, Situationen und Räumen.

Dana Kavelina

Dana Kavelina wurde 1995 in Melitopol geboren und schloss 2018 ihr Masterstudium an der Nationalen Technischen Universität der Ukraine an der Fakultät für Buchgrafik ab. Sie arbeitet mit Animation und Video sowie mit Installation, Malerei und Grafik. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich vorwiegend mit militärischer Gewalt sowie mit kollektivem Trauma und Erinnerung. Im Jahr 2018 gewann ihr Animationsfilm «About Mark Lvovich Tyulpanov, who spoke with flowers» den Spezialpreis der Jury beim OIFF, Odessa, Ukraine und den Grand Prix des KROK-Festivals, Moskau, Russland; 2020 wurde der Film «Letter to the Dove» in das Programm «War and Cinema» der Zeitschrift e-flux aufgenommen.

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