Neujahrsansprache von Bundeskanzler Friedrich Merz zum Jahreswechsel 2025/2026

Symbolbild Copyright © alex&er´s-IMAGES/ Schuhmann Alexander

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

heute endet ein Jahr, mit dem jede und jeder von uns eine ganz persönliche Geschichte verbindet: eine Geschichte von kleinen wie großen Erfolgen, vielleicht auch von Rückschlägen; von Unerwartetem und Neuem und womöglich auch von Verlust und Umbruch. Zum Jahreswechsel ziehen wir nun Bilanz – jeder von uns ganz persönlich, aber auch wir gemeinsam als Nation.

Es geht ein Jahr zu Ende, in dem wir als Land gemeinsam große politische Entscheidungen getroffen haben – beginnend mit der Bundestagswahl am 23. Februar. Sie, die Bürgerinnen und Bürger, haben an diesem Tag über die politische Zukunft unseres Landes entschieden. Eine neue Bundesregierung wurde gebildet und hat sich vorgenommen, mit Tatkraft und Kompass die richtigen Weichen für Deutschland zu stellen.

Diese Aufgabe ist nicht klein. Das hat uns das ausgehende Jahr 2025 in großer Deutlichkeit vor Augen geführt. Denn unsere Welt verändert sich in rasanter Geschwindigkeit – und auch unser aller Leben wird von dieser Veränderung erfasst. Ein schrecklicher Krieg tobt in Europa. Es ist ein Krieg, der auch unsere Freiheit und unsere Sicherheit unmittelbar bedroht. Unsere Wirtschaft steht unter dem Druck notwendiger Reformen, hoher Kosten und weltweiter Handelskonflikte. Zudem revolutionieren neue Technologien unsere Arbeitswelt und unser Zusammenleben.

Aus diesem Befund leitet die Bundesregierung ihren grundsätzlichen Arbeitsauftrag ab: Die Erneuerung der Fundamente unserer Freiheit, unserer Sicherheit und unseres Wohlstandes für die nächsten Jahre und vielleicht Jahrzehnte.

Die Erneuerung dieser Fundamente wird nur möglich sein, wenn wir in Europa unseren Frieden in Freiheit sichern. Doch Russland führt seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit unverminderter Härte fort. Die Ukrainerinnen und Ukrainer werden zum vierten Mal in Folge das Neujahr unter widrigsten Umständen begehen – viele von ihnen ohne Strom, im Raketenhagel, in Angst um Freunde und Familien.

Und es ist kein weit entfernter Krieg, der uns nicht betrifft. Denn wir sehen immer deutlicher: Russlands Angriff war und ist Teil eines Plans, der sich gegen ganz Europa richtet. Täglich wird auch Deutschland von Sabotage, Spionage und Cyber-Angriffen überzogen.

In der Weltwirtschaft sehen wir eine Rückkehr zum Protektionismus. Unsere strategische Abhängigkeit von Rohstoffen wird zunehmend als politischer Hebel gegen unsere Interessen eingesetzt. Diese geopolitischen Umbrüche haben große Auswirkungen auf unseren Wohlstand – und das spüren wir als Exportnation in besonderer Weise. In dieser Lage brauchen wir die Kreativität und Schaffenskraft unserer Wirtschaft. Aber hausgemachter Reformstau lähmt das Potenzial, das unsere Unternehmen haben: Es wird für sie immer schwieriger, im internationalen Wettbewerb zu bestehen.

Zugleich wandelt sich unsere Partnerschaft zu den Vereinigten Staaten von Amerika, die lange der verlässliche Garant unserer Sicherheit war. Für uns Europäer heißt das: Wir müssen unsere Interessen noch viel stärker aus eigener Kraft verteidigen und behaupten.

Auch in der Sozialpolitik sind die Herausforderungen offensichtlich: Unsere Gesellschaft wird älter, die geburtenstarken Jahrgänge werden jetzt in die verdiente Rente gehen. Deshalb wird es im kommenden Jahr ganz wesentlich darauf ankommen, eine neue Balance in unseren sozialen Sicherheitssystemen zu schaffen, mit der die Anliegen aller Generationen fair in Einklang gebracht werden.

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, all diese Entwicklungen zeigen, dass wir inmitten eines Epochenbruchs leben. Doch ich möchte Ihnen aus tiefster innerer Überzeugung sagen: Wir haben es selbst in der Hand, jede dieser Herausforderungen aus eigener Kraft zu bewältigen. Wir sind nicht Opfer von äußeren Umständen. Wir sind kein Spielball von Großmächten. Unsere Hände sind nicht gebunden.

Deutschland ist ein großartiges Land, das sich immer wieder neu erfunden hat, aus Krisen gestärkt hervorging, neuen Zusammenhalt stiften konnte und für alle Bürgerinnen und Bürger eine lebens- und auch liebenswürdige Heimat bietet.

Lassen wir uns deshalb nicht von Angst und Verzagtheit leiten, sondern von Zuversicht und dem Glauben an unsere eigene Kraft zur Bewältigung jeder Herausforderung, ganz gleich wie groß sie auch sein mag.

Dies ist ein Auftrag für uns alle. Die Bundesregierung wird ihren Beitrag dazu leisten, dass sich unser Land behaupten kann, indem es sich eben erneuert. Damit haben wir seit dem Tag der Amtsübernahme mit großem Engagement gearbeitet – aus Verantwortung für Deutschland, wie der Titel unseres Koalitionsvertrages es überschreibt.

So haben wir die finanziellen Möglichkeiten geschaffen, unsere Verteidigung zu stärken. Dafür haben wir unser Grundgesetz geändert, um die notwendigen Investitionen tätigen zu können. Und mit dem freiwilligen Wehrdienst zeigen wir als Land: Wir sind bereit, uns zu verteidigen – weil unsere Freiheit und unsere Lebensweise verteidigungswürdig sind. Wir haben einen Nationalen Sicherheitsrat eingerichtet, auf der Welt neues Vertrauen erworben und arbeiten mit unseren Partnern und Verbündeten in aller Welt eng zusammen.

Mir ist bewusst, dass viele Bürgerinnen und Bürger angesichts der unsicheren Welt in Sorge um den Frieden leben. Ich sage Ihnen: Wir sorgen für unsere Sicherheit. Wir leben in einem sicheren Land. Damit das so bleibt, müssen wir unsere Abschreckungsfähigkeit verbessern. Wir wollen uns verteidigen können, damit wir uns nicht verteidigen müssen.

Auch auf europäischer Ebene hat die Bundesregierung einen Politikwechsel eingeleitet: Deutschland ist in Europa eine unverzichtbare Stimme, damit unsere Gemeinschaft aus 27 Mitgliedstaaten wieder stärker zusammenwächst. Wir werben dafür, dass sich die Europäische Union wieder auf ihre Kernaufgaben besinnt: Freiheit, Sicherheit und Wohlstand. Nur so können wir gemeinsam auch unseren Beitrag zur Bewältigung des Klimawandels leisten. Wir bauen die Bürokratie konsequent zurück und setzen die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit ganz oben auf die politische Prioritätenliste.

Die Kraft unseres Landes gründet ganz maßgeblich auf unserem Zusammenhalt. Seit Beginn der Amtszeit dieser Bundesregierung haben wir deshalb in Deutschland und in Europa wichtige Entscheidungen getroffen zur konsequenten Reduzierung der irregulären Migration. Wir entscheiden wieder selbst darüber, wer in unser Land kommt und wer unser Land wieder verlassen muss. Wir haben neue Anreize für legale und geordnete Migration geschaffen und zugleich Routen für illegale und ungeordnete Migration geschlossen. Für uns sind Humanität und Ordnung zwei Seiten einer Medaille.

Die Kraft unseres Landes gründet ebenso maßgeblich auf unserer Wirtschaftsleistung. Damit unsere Wirtschaft wieder Tritt fasst, haben wir unsere Unternehmen entlastet. Sie sollen sich auf das konzentrieren, was sie am besten können. Deshalb entlasten wir sie steuerlich, bei den Energiepreisen und bei der Bürokratie. Mit einer neuen Innovations- und Technologiepolitik wollen wir erreichen, dass Deutschland wieder an der Spitze der technologischen Entwicklung steht.

Und schließlich: Wir haben eine ernsthafte Debatte über unseren Sozialstaat begonnen. So hat das Bundeskabinett in seiner letzten Sitzung in diesem Jahr die Abschaffung des sogenannten „Bürgergeldes“ und die Einführung einer „Neuen Grundsicherung“ beschlossen. Und außerdem hat der Deutsche Bundestag wichtige Beschlüsse zur Rente gefasst. Aber damit ist es nicht getan – wir werden im nächsten Jahr grundlegende Reformen beschließen müssen, damit unsere Sozialsysteme auf Dauer finanzierbar bleiben.

Nun werden nicht Wenige sagen: Das reicht nicht; das ist zu wenig; und spüren tut man es auch noch nicht hinreichend. Und ich will Ihnen sagen: Sie haben recht! Das reicht nicht – aber die Bundesregierung hat mit ihrer Arbeit begonnen. Und ich bin sicher: Deutschland wird den Ertrag der Reformen ernten, auch wenn das eine gewisse Zeit benötigt.

So kann das Jahr 2026 ein Moment des Aufbruchs werden. Das ist die Aussicht, die ich Ihnen und uns allen eröffnen will: Das kann ein entscheidendes Jahr für unser Land und für Europa werden. Es kann ein Jahr werden, in dem Deutschland und in dem Europa in neuer Stärke wieder anknüpfen an Jahrzehnte von Frieden, Freiheit und Wohlstand.

Dafür müssen wir uns selbst vertrauen, unserem Mut und unserer Tatkraft. Hören wir nicht auf die Angstmacher und auf die Schwarzmaler.

Vertrauen wir stattdessen auf uns und unsere demokratischen Prozesse. Ja, sie sind manchmal zäh und streitig. Aber nur so kommen wir zu Ergebnissen, die von einer breiten Mehrheit unseres Landes auch getragen werden.

Deutschland hat in fast acht Jahrzehnten so vieles erreicht. Wir sind ein Land, in dem wir frei und mit gleichen Rechten solidarisch zusammenleben. In dem wir uns nach unseren Begabungen und Talenten entfalten können. In dem ein hohes Maß an sozialem Frieden herrscht. Wir leben nicht nebeneinander, sondern miteinander. Wir schauen nicht weg, sondern passen aufeinander auf. Und damit haben wir Maßstäbe gesetzt – in Schaffenskraft, Erfindungsreichtum und in unserem Einsatz für Frieden und Freiheit.

Begreifen wir das als unsere gemeinsame Aufgabe, aus eigener Kraft heraus ein so gutes, ein so lebenswertes und ein so liebenswertes Land zu bewahren. Dafür arbeite ich. Dafür arbeitet die Bundesregierung. Und ich bitte Sie alle, daran mitzuwirken.

In diesem Sinne: Ich wünsche Ihnen ein frohes neues und gutes Jahr 2026.“