BK’in Merkel: Ein Kleiner Gruß in die Ferne! Normalerweise würden wir ja jetzt im Internationalen Konferenzsaal sitzen und uns anschauen können. Das entfällt leider wegen der Pandemie. Aber ich freue mich, dass wir uns trotzdem treffen können und möchte Sie ganz herzlich auch im Namen von Annette Widmann-Mauz zu unserem 13. Integrationsgipfel begrüßen.
Heute schließt sich gewissermaßen ein Kreis; denn im Mittelpunkt unserer heutigen Beratungen stehen die letzten beiden Phasen des Nationalen Aktionsplans Integration. Wenn wir uns noch einmal erinnern, dann sehen wir, dass wir ja versucht haben, uns sozusagen aus der Perspektive von jemandem, der einwandert oder zuwandert, die verschiedenen Phasen anzuschauen. Phase eins war die Phase vor der Zuwanderung, in der es darum geht, Erwartungen zu steuern und Orientierung zu geben. Phase zwei war die Erstintegration, in der es darum geht, das Ankommen zu erleichtern und Werte zu vermitteln, also die Gesellschaft besser kennenzulernen. Phase drei war die Eingliederung, um Teilhabe zu ermöglichen – ich glaube, das ist ein Schlüsselwort – und Leistung zu fordern und zu fördern. Heute stehen nun die Phasen vier und fünf im Zentrum, nämlich das Zusammenwachsen und der Zusammenhalt, damit aus einem Nebeneinander ein wirkliches Miteinander wird.
Eigentlich müssten wir die ganzen Phasen auch noch einmal aus der Perspektive der Ankommensgesellschaft durchgehen und fragen, was das für diejenigen bedeutet, bei denen Zu- und Eingewanderte ankommen, aber das bleibt sozusagen der Zukunft vorbehalten.
Ich habe selbst 2006 zum ersten Integrationsgipfel eingeladen. Seitdem gibt es ja Staatsministerinnen – es waren immer Frauen – für Integration. Dieses Amt im Bundeskanzleramt war sozusagen auch der Grund dafür, dass wir diese Treffen immer hier im Kanzleramt durchgeführt haben.
Wir haben dann sehr schnell begonnen, einen Integrationsplan aufzustellen, den wir in den Folgejahren mit Leben erfüllt haben, nämlich durch Aktionspläne, um Integrationspolitik einfach auch verbindlicher zu machen und praktischer zu gestalten. Der Dialog- und Gipfelprozess der letzten 15 Jahre hat immer wieder neue Impulse geliefert und viele Maßnahmen bewirkt. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, allen, die an diesem Prozess mitgearbeitet haben, ganz herzlich zu danken. Wir haben uns natürlich alle weiterentwickelt, und so hat das Wort Integration heute schon einen anderen Klang, sage ich einmal, als das vor 15 Jahren der Fall war. Das Wort Teilhabe gerät immer weiter in den Mittelpunkt. Was wir aber gelernt haben, ist, dass Integration nicht nur bestimmte Gruppen betrifft, sondern die Gesellschaft insgesamt; denn gelungene Integration ist ein wesentlicher Bestandteil dessen, was wir insgesamt in unserer Gesellschaft diskutieren, nämlich des Zusammenhalts in unserer Gesellschaft.
Die Fragen sind immer wieder: Was macht erfolgreiche Integration aus? Wie lässt sie sich erreichen? Was steht dem entgegen?
Wir haben darüber immer wieder mit Migrantenorganisationen, mit Vertretern von Gewerkschaften, Arbeitgebern, Sportverbänden und vielen anderen Organisationen und natürlich mit den Mitgliedern der Bundesregierung diskutiert. Wir wissen, dass Integration systematisch gefördert und vorangebracht werden muss, und zwar in dem Bewusstsein, dass Integration für alle eine Herausforderung ist, aber wenn sie gelingt, eben auch ein Gewinn ist. Deshalb gilt das sowohl für die ankommende, aber auch für die aufnehmende Gesellschaft.
Jede und jeder – ob mit oder ohne Migrationsgeschichte – sollte in dem Land, in dem er lebt, seinen Weg gehen können. Jede und jeder muss sich respektiert und zugehörig fühlen können und auch das Gefühl haben, dass man seinen Beitrag einbringen kann. Dazu gehören Respekt und Zugehörigkeit. Sie sind unabdingbar für einen gesellschaftlichen Zusammenhalt. Oder sagen wir es andersherum – und dem begegnen wir ja leider im realen Leben sehr oft -: Respektlosigkeit, Vorurteile, Anfeindung oder leider eben auch Gewalt stehen dem Zusammenhalt unserer Gesellschaft absolut entgegen. Dem müssen wir uns alle entgegenstellen. Das ist eine zentrale Aufgabe.
Deshalb haben wir als Ergebnis des Integrationsgipfels vor einem Jahr, im März 2020 – nicht zuletzt auch auf Wunsch der Migrantenorganisationen und vieler, die in diesem Kreis hier heute dabei sind – einen Kabinettausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus gebildet. Im November 2020 hat die Bundesregierung einen Katalog von 89 Maßnahmen vorgelegt, von denen sehr viele auf Ihre Anregung zurückgehen. Wir haben auch noch ganz schön zu arbeiten, um diese 89 Maßnahmen umzusetzen.
Ich glaube, wir sind uns trotzdem einig: Wirklicher Zusammenhalt einer Gesellschaft erfordert aber noch mehr als nur die Abwesenheit von Hass und Gewalt. Er verlangt auch die Anwesenheit von gelebter Toleranz, Offenheit und Neugierde füreinander. Denn eine funktionierende Zivilgesellschaft ist und bleibt natürlich der beste Schutz vor Ausgrenzung und Rassismus und vor jeder Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.
Ich möchte gerne, dass auch dieser Gipfel, auf dem wir die beiden Phasen vier und fünf miteinander diskutieren, ein sehr starkes Signal für ein Miteinander aussendet. Da ich heute irgendwo in der Zeitung gelesen habe, dass man hier nicht so klar seine Meinung sagen darf, was mir noch nicht so aufgefallen ist, wollte ich Sie noch einmal extra ermuntern, hier wirklich aus Ihrem Herzen zu sprechen und das zu sagen, was Ihnen wichtig ist. Es geht hier nicht um irgendeine Harmonieveranstaltung, sondern es geht darum, dass aus Reibung und unterschiedlichen Wahrnehmungen ein wirkliches Zusammenwachsen und ein wirklicher Zusammenhalt werden können.
Wenn die heute diskutierten beiden Phasen gelingen, dann – davon bin ich überzeugt – wird unsere ganze Gesellschaft in unserem Land, in der Bundesrepublik Deutschland, stärker, reicher – das Wort „Resilienz“ macht jetzt ja die Runde -, widerstandsfähiger, klüger, vielleicht auch neugieriger und offener daraus hervorgehen. Das ist das, was ich mir wünsche. Da, wo es wirkliche Reibungspunkte gibt, muss man sie auch beim Namen nennen. Es soll hier also eine Diskussion sein, die offen und zukunftsgerichtet ist.
Damit möchte ich mit meinen Einführungsworten schließen und jetzt in medias res gehen.