„Durch Verträge gedeckt“ Eckhardt Rehberg (CDU) im Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“

Russian Oil: EU agrees on level of price cap. Copyright: Mandoga Media
Russian Oil: EU agrees on level of price cap. Copyright: Mandoga Media

Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag 1. März 2021)

Der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Eckhardt Rehberg (CDU), sieht in der Ermächtigung der EU-Kommission, am Kapitalmarkt Kredite von bis zu 750 Milliarden Euro für das Aufbauinstrument „Next Generation EU“ aufzunehmen, die richtige Antwort auf die Corona-Krise. Die europäische Wirtschaft könne so wieder wachsen und besonders Deutschland werde von einem wiedererstarkten Europa profitieren, sagte Rehberg im Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 1. März 2021) aus Anlass der ersten Lesung des Entwurfs des Eigenmittelbeschluss-Ratifizierungsgesetzes.

Der CDU-Politiker stellte zugleich klar, dass die Schuldenaufnahme aus Sicht der Unionsfraktion „ein einmaliges und zeitlich klar begrenztes Mittel“ sei und keinen Einstieg in einer Schulden- und Transferunion bedeute. Es gebe außerdem keine gemeinsame Haftung wie bei Eurobonds. Die Tilgung der gemeinsamen Schulden erfolge als feststehende Ausgabe aus dem EU-Haushalt, die Mitgliedstaaten würden lediglich mit ihren Beitragszahlungen haften. Dass die EU tatsächlich auf den „Sicherheitspuffer“ zurückgreifen werde, laut dem sie von den Mitgliedstaaten zusätzliche Beiträge von bis zu 0,6 Prozent der Wirtschaftsleistung einfordern kann, um die Schulden zu tilgen, hält Rehberg für ein „höchst unwahrscheinliches“ Szenario. Er sehe nicht, dass einzelne Mitgliedstaaten die Kredite aus dem Fonds nicht zurückzahlen könnten oder wollten.

Das Interview im Wortlaut:

Herr Rehberg, für den Corona-Wiederaufbaufonds will die EU-Kommission Schulden auf dem Kapitalmarkt aufnehmen und diese teilweise als Zuschüsse an die Mitgliedstaaten weiterreichen. Warum hat Ihre Partei ihre Widerstände gegen schuldenfinanzierte Zuschüsse aufgegeben?

Diese Krise braucht ihre eigenen Antworten. Eine Reihe von EU-Staaten hat bereits so viele Schulden, dass Kredite ihre Lage nicht verbessern würden. Trotzdem soll es neben Zuschüssen auch Kredite geben; beide sollen als Ausgaben der Europäischen Union an den EU-Haushalt angebunden sein. Damit erfolgt die Mittelvergabe nach strikten Prinzipien, die von der Kommission, dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rechnungshof überwacht werden können und müssen. Deutschland wird als exportorientierte Nation von einem wiedererstarkten Europa profitieren.

Warum setzt die EU nicht weiter auf den schon bestehenden Europäischen Rettungsschirm ESM?

Anfangs hat die EU versucht, mit bestehenden Instrumenten schnell zu helfen. Allerdings musste sie feststellen, dass über die vorsorgliche Kreditlinie des ESM zwar 240 Milliarden Euro generiert werden konnten, aber kein europäisches Land auf die Gelder zugegriffen hat. Gerade in Ländern mit einer sehr hohen Schuldenstandquote, etwa in Italien, wird der ESM kritisch gesehen. Also musste die EU neue Wege suchen. Der ESM taugt meiner Ansicht nach auch eher zur Überwindung systemischer Krisen in einzelnen Staaten denn zur Überwindung einer globalen Pandemie.

Inwiefern unterscheiden sich die schuldenfinanzierten Zuschüsse aus dem Wiederaufbaufonds von sogenannten Eurobonds, die Sie weiterhin ablehnen?

Die Tilgung der gemeinsamen Schulden erfolgt im Falle des Fonds als feststehende Ausgabe aus dem EU-Haushalt. Es gibt daher keine gemeinsame Haftung wie bei Eurobonds. Deutschland haftet nur über die Eigenmittel der EU, also die Beiträge auf Basis des Bruttonationaleinkommens, die es an den EU-Haushalt überweist.

Um die Schuldenaufnahme zu finanzieren, soll die EU von ihren Mitgliedern aber zusätzliche Beiträge von bis zu 0,6 Prozent der Wirtschaftsleistung einfordern können. Nach Berechnungen des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) trägt Deutschland damit in den kommenden Jahrzehnten ein maximales theoretisches Haftungsrisiko von 750 Milliarden Euro.

Diese Zahl ist völlig aus der Luft gegriffen und bloße Theorie. Die vom ZEW kritisierte Überdeckung der Kredite stellt einen Sicherheitspuffer dar, der der EU eine sehr günstige Kreditaufnahme an den Kapitalmärkten ermöglicht. Dass sie tatsächlich darauf zurückgreift, ist höchst unwahrscheinlich.

Dieser Fall könnte doch aber eintreten, wenn einzelne Mitgliedstaaten die Kredite aus dem Fonds nicht zurückzahlen können oder wollen. Staaten wie Deutschland müssten dann einspringen.

In so einem Fall könnten die betreffenden Staaten nicht mehr Mitglied der Europäischen Union sein! Ich sehe nicht, dass ein Mitgliedstaat sich so verhalten wird. Zusammen mit dem gleichzeitig verabschiedeten mehrjährigen EU-Haushalt stehen der EU bis 2027 rund 1,8 Billionen Euro zur Verfügung. Das ist eine Menge Geld. Damit kann die europäische Wirtschaft wieder wachsen, notleidende Staaten können sich erholen, die Verwaltungen können modernisiert werden. Das ist eine große Chance für Europa und die Mitgliedstaaten. Klar ist aber auch, dass die Tilgung der Schulden nicht auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben werden darf.

Eine andere Sorge ist, dass die EU-Staaten auf den Geschmack kommen und in Zukunft öfter über den EU-Haushalt Schulden machen werden. Teilen Sie diese Befürchtung?

Solange es in Deutschland eine Bundesregierung unter Führung von CDU und CSU gibt, werden wir alles tun, um eine solche Schulden- und Transferunion zu verhindern. Mit einer Linkskoalition aus Grünen, SPD und Linken sähe das allerdings anders aus. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat sich ja schon mehrmals öffentlich in diese Richtung geäußert. Wir sehen das Instrument des Wiederaufbaufonds als ein einmaliges und zeitlich klar begrenztes Mittel zur Bewältigung der Corona-Krise.

Wie will die EU sicherstellen, dass die Milliarden tatsächlich zur Bewältigung von Corona-Folgen eingesetzt werden und nicht etwa, um sonstige Haushaltslöcher zu stopfen?

Die Hauptverantwortung für die Kontrolle tragen das Europäische Parlament und die EU-Kommission. Die Mitgliedstaaten müssen außerdem sogenannte Milestones abarbeiten, die der Wirtschafts- und Finanzausschuss des Rates überprüfen wird. Nicht nur Deutschland, auch Länder wie die Niederlande, Schweden und Dänemark, werden genau darauf achten, dass diese Mittel gemäß den Prinzipien verwendet werden. Im Vordergrund stehen nachhaltige Projekte für Klimaschutz und Digitalisierung.

Der Bundestag berät gerade über das Eigenmittel-Ratifizierungsgesetz, dass die Schuldenaufnahme durch die EU erst ermöglicht. Sehen Sie dabei konkreten Nachbesserungsbedarf?

Als Unionsfraktion wollen wir auf jeden Fall in einem Antrag oder einer Stellungnahme die Rechenschafts- und Berichtspflichten der Bundesregierung gegenüber dem Bundestag betonen. Die Bundesregierung muss uns regelmäßig Auskunft geben, wie es mit der Umsetzung des Wiederaufbauprogramms in der EU, aber auch in Deutschland, aussieht.

Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass das Bundesverfassungsgericht europäischen Schulden noch einen Riegel vorschiebt? Kritiker sehen in ihnen einen Verstoß gegen deutsches Haushaltsrecht und verweisen auf das in den EU-Verträgen verankerte Verbot von gemeinsamer Verschuldung und Staatsfinanzierung mittels Geldpolitik.

Meine Fraktion sieht die Instrumente des Wiederaufbaufonds durch die europäischen Verträge gedeckt. Auch ist der Fonds meiner Ansicht nach durch ein sehr transparentes Verfahren zwischen dem Europäischen Parlament, der Kommission und den einzelnen Nationalstaaten ausgehandelt worden. Ich sehe möglichen Klagen daher gelassen entgegen. Die EU-Staaten, die den Eigenmittel-Beschluss noch ratifizieren müssen, sollten sich darüber hinaus gut überlegen, ob sie die Hilfen jetzt noch blockieren wollen. Es gab lange und schwierige Verhandlungen, bis endlich ein Kompromiss gefunden wurde. Dass wir erst ein Jahr nach Ausbruch der Krise in die Gänge kommen mit diesen Hilfen, ist an sich schon ein Armutszeugnis.

Das geliehene Geld will die EU bis 2058 vollständig zurückzahlen und dafür neue Finanzquellen erschließen. Eine Plastiksteuer gibt es bereits seit Januar 2021, weitere Steuern sollen folgen. Was halten Sie davon?

Ich sehe das sehr kritisch. Die Steuerhoheit muss bei den Nationalstaaten bleiben. Das jetzige Eigenmittel-System mit seinen festen Prozentsätzen für die Mitgliedsbeiträge bietet eine vernünftige und gerechte Finanzierungsbasis. Soll in Zukunft das EU-Parlament an der Steuerschraube drehen und die Bürgerinnen und Bürger in Europa müssen zahlen? Auf welcher Bemessungsgrundlage? Gerade in der Corona-Krise und angesichts ihrer Folgewirkungen verbietet es sich, Bürgern und Wirtschaft weitere Belastungen aufzubürden. Wir sollten erstmal wieder wirtschaftlich Tritt fassen, anstatt uns neue Steuern auszudenken.

Das Gespräch führte Johanna Metz.

Eckhardt Rehberg seit Oktober 2005 im Bundestag und ist dort haushaltspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion.

Quelle: Wochenzeitung „Das Parlament“